UNESCO-Weltkulturerbe „Klassisches Weimar“

Seyran Ateş

Di, 24.03.2020

Ettersburger Gespräch KONSERVATIV?! Über das Gute und das Böse

Seyran Ateş

im Gespräche mit Liane Bednarz.

Gemeinsam veranstaltet mit dem Verlag Duncker & Humblot Berlin.

Seyran Ateş über sich selbst: "Ich bin im Alter von 6 Jahren als Kind von Gastarbeitern nach Berlin gekommen. Meine Mutter ist Türkin, mein Vater war Kurde . Wir sind sunnitische Muslime. Das Aufwachsen in einer sehr traditionellen Großfamilie hat mich politisch geprägt. Insbesondere hat es dazu beigetragen, dass ich sehr früh angefangen habe, gegen die Ungleichbehandlung der Geschlechter zu kämpfen. Mit 17 Jahren bin ich von zuhause abgehauen, um selbstbestimmt leben zu können und habe in dieser Zeit meine erste Autobiographie geschrieben (Wo gehören wir hin? 1983). Aus meiner eigenen Biographie begründet habe ich angefangen, mich für andere Frauen und Mädchen einzusetzen, die ähnliche Unterdrückung erlebt haben wie ich. Ab 1983 arbeitete ich daher neben meinem Studium der Rechtswissenschaften in einer Beratungsstelle für Frauen aus der Türkei, in dem ich im Jahre 1984 Opfer eines politischen Anschlags wurde. Ich wurde durch eine Kugel in den Hals lebensgefährlich verletzt. Die Folgen des Attentats haben dazu geführt, dass ich mein Studium unterbrechen musste. 1990 konnte ich mein Studium wieder aufnehmen und 1997 als Rechtsanwältin meine Arbeit beginnen. Trotz Unterbrechung des Studiums habe ich mich neben der körperlichen Erholung immer wieder bei Frauenthemen engagiert. Im Jahre 2006 habe ich meine Anwaltskanzlei geschlossen, weil ich immer wieder Morddrohungen bekam. Da ich mich explizit mit patriarchalen Strukturen im Islam beschäftige und Migrationsfragen in türkisch-kurdischen Parallelgesellschaften in Deutschland dann kritisiere, wenn aus den Parallelgesellschaften Hass und Gewalt verbreitet wird, werde ich oft von Islamisten und türkischen Nationalisten angefeindet. Vor allem werde ich aber von Männern und Frauen angefeindet, die nicht nur ein konservatives, sondern ein mittelalterliches Geschlechterrollenverständnis haben. Ich bin gläubige Muslimin. Dies irritiert viele Menschen, sowohl Atheisten, Christen und Juden als auch Muslime. Die einen sind der Ansicht, dass ich mich vom Islam verabschieden müsste, weil er frauenfeindlich sei, die anderen meinen, dass ich keine Muslimin sein kann, wenn ich nicht so bin wie sie selbst. Seit 2012 bin ich wieder als Anwältin tätig. Von 2003 bis 2017 habe ich weitere 5 Bücher geschrieben. 1983 habe ich angefangen, mich frauenpolitisch zu engagieren. In der Öffentlichkeit habe ich mich vor allem zu den Themen, Kopftuch bei Musliminnen, Zwangsheirat, Ehrenmorde und Migrationsfragen geäußert und positioniert. Mit meiner Forderung im Jahre 2003, in das deutsche Strafgesetzbuch einen eigenen Straftatbestand Zwangsheirat aufzunehmen, habe ich eine Welle der Entrüstung bei den liberalen und Traditionalisten ausgelöst. 2011 war das Ziel erreicht. Die Zwangsheirat ist ein eigener Straftatbestand. Das Thema religions- und traditionsbedingte Gewalt an Frauen und Kindern ist nach wie vor eines meiner Schwerpunkte. Hierin ist der Kampf gegen Zwangsehen, Ehrenmorde, häusliche Gewalt, Kinderehe, Genitalverstümmelung und viele Arten der Gewalt mehr enthalten."

Seyran Ateş. Bild: Julius Matuschik.
Seyran Ateş. Bild: Julius Matuschik.

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