Jürgen Tarrach
Mo, 01.06.2020
Lesung Der Herr Karl
Jürgen Tarrach
liest und spielt - auf wienerisch - Helmut Qualtinger
"Der Herr Karl" ist ein knapp einstündiger – zwischen Theaterstück und Kabarett angesiedelter – Monolog, der 1961 von Helmut Qualtinger und Carl Merz geschrieben wurde. Das Ein-Personen-Stück, das zunächst mit Qualtinger als Darsteller für das österreichische Fernsehen verfilmt und anschließend auf zahlreichen Bühnen aufgeführt wurde, sorgte in Österreich für heftige Kontroversen. Der Antiheld „Herr Karl“ erzählt einem „jungen Menschen“, dem Zuschauer, seine Lebensgeschichte, während er bei der Arbeit im Lager eines Feinkostgeschäftes sitzt. Dabei entpuppt sich der Erzähler zunehmend als opportunistischer Mitläufer aus dem kleinbürgerlichen Milieu, der sich im wechselhaften Gang der österreichischen Geschichte vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der Besatzungszeit in den 1950er Jahren durchs Leben manövriert hat. Auf den ersten Blick lässt sich Herr Karl als typischer Wiener, „katholisch“ und „freiheitsliebend“, als ewiger Raunzer charakterisieren. Als repräsentativer Kleinbürger verkörpert er sozusagen die vox populi, die Stimme des Volkes. Äußerlich erscheint der Herr Karl als netter, ehrlicher, aber naiver Kerl mit liebem Blick. Doch nach und nach erfährt der Zuschauer von dem Opportunisten, der sich hinter dieser Fassade der Gemütlichkeit verbirgt. Als im Ständestaat 1934 die Diktatur errichtet wurde, wird Herr Karl, der bis dahin Sozialist war, zu einem Anhänger der Christlichsozialen. Nach dem „Anschluss Österreichs“ 1938 wechselt er sofort in das politische Lager der Nationalsozialisten. Nach 1945 bemüht er sich, den Besatzungsmächten dienlich zu sein. Herr Karl nutzt jedoch nicht nur die Anpassung seiner politischen Meinung, um Vorteile zu erlangen. Der Egoismus zieht sich durch sein gesamtes Leben. Er selbst schätzt sich als „Mann von Welt“ ein, der Zuschauer lernt ihn aufgrund des Verhaltens gegenüber seinen Mitmenschen als skrupellosen Profiteur, Drückeberger und Anpasser kennen. Seine Kaltherzigkeit erlaubt es ihm, keine Gelegenheit auszulassen, bei der er andere Leute ausnutzen konnte.“