Masha Tokareva und Thomas Thieme
Samstag, 08. November 2025 18:00 Uhr Gewehrsaal Eintritt 28 €
Lesung . 250 Jahre Goethe in Weimar FAUST oder Das Ewig-Weibliche
Masha Tokareva und Thomas Thieme
lesen aus Goethes Tragödie.
Johann Wolfgang von Goethe selbst hat häufig aus seinem Faust vorgelesen. Die Ettersburger Lesefassung bietet die Gretchen-Tragödie und wesentliche Szenen des Helena-Aktes aus dem Faust II.
Masha Tokareva wuchs in Moskau auf. Zwischen 1996 und 1999 studierte sie Schauspiel in Moskau. Sie spielte in zahlreichen deutschen und internationalen Film- und Fernsehfilmen; bekannt wurde sie u.a. im Erzgebirgskrimi als Rechtsmedizinerin Kulikova.
Thomas Thieme, geboren in Weimar, ist einer der bedeutendsten deutschen Theater-, Film- und Fernsehschauspieler. Er spielte in der Spielzeit 2000/2001 am Deutschen Nationaltheater Weimar die Titelrolle in Goethes Faust I.
Text eingerichtet von Peter Krause
(nach der Goethe-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlages)
Dauer: etwa 2 Stunden, Pause
gemeinsam veranstaltet mit dem Freundeskreis Goethe-Nationalmuseum e.V.
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist's getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
*
Faust handelt vom letzten Wissen und von absoluter Macht, von erotischer Begierde und tiefster Erkenntnis. In einem teuflischen Pakt geht es um lebendige Zeit oder um unerhörte Ewigkeit. Faust: die einsame Seele, der tragische Held moderner Grenzüberschreitung.
Als Goethe am 7. November 1775 in Weimar ankommt, hat er Szenen seiner Faust-Dichtung im Gepäck. Das Werk wird in einem sechs Jahrzehnte währenden, immer wieder unterbrochenen, nicht mehr eindeutig zu erhellenden Schaffensprozess vollendet. Aus dem in den 1760er Jahren begonnen Urfaust entwickelt Goethe zunächst die Fassung Faust, ein Fragment, die 1788 vorliegt und 1790 gedruckt wird. Die Gretchen-Tragödie ist bereits zentral. Die endgültige Faust-I-Fassung erfolgt bis 1806, wird allerdings wegen der Kriegszeit erst 1808 veröffentlicht.
Bereits um das Jahr 1800 entscheidet sich Goethe, das Drama zu teilen, die vielschichtige Weiterführung über die Gretchen-Tragödie hinaus als einen eigenständigen Teil zu gestalten. Von den Szenen, die in den „leidenschaftsloseren“ Faust II verschoben werden, ist allerdings bereits etwa ein Drittel geschrieben: vor allem der Helena-Akt mit der Auftrittsszene und dem Gespräch mit Phorkyas (Mephistopheles): Helena im Mittelalter. Wichtige Akte des ersten und der zweiten Faust also sind parallel konzipiert, Gretchen („Was hilft euch Schönheit, junges Blut?“) und Helena wechselseitig aufeinander bezogen. In seinem Tagebuch bezeichnet Goethe ab 1825 die Arbeit am Faust als „Hauptgeschäft“.
Was das Werk für Goethe am Ende bedeutet, bezeugen Briefe, Gespräche und Notate: „Mein ferneres Leben kann ich nunmehr als reines Geschenk ansehen.“ In einem späten Brief heißt es:
„Wie ich im Stillen langmütig einhergehe, werden Sie an der dreitausendjährigen Helena sehen, der ich nun auch schon sechzig Jahre nachschleiche, um ihr einigermaßen etwas abzugewinnen.“
Der zentrale dritte Akt wird 1827 separat veröffentlicht mit dem Titel Helena, klassisch-romantische Phantasmagorie. Goethe erweitert seinen Faust II um den Helena-Akt herum. Er wird im Sommer 1831 abgeschlossen, jedoch „eingesiegelt“ und erst Monate nach Goethes Tod veröffentlicht.
Seiner Entstehung nach ist der Faust ein zusammenhängendes Werk. Die Gretchen-Tragödie ist bereits als ein eigenes offenes Drama im Urfaust eingeflochten, wird überarbeitet in den Faust I von 1806 übernommen. In alten Faust-Geschichten, von denen Goethe früh inspiriert wird, kommt auch eine Helena vor, die Fausts sexuelle Leidenschaft entfacht. Diese Helena ist gefährlich schön, aber ein abgrundtief böses Phantom: eine Schöpfung des Teufels. Goethe dagegen wählt keinen dämonischen weiblichen Widerpart für seinen Faust, sondern ein unschuldiges Mädchen: Margarethe, das ins Verderben gezogen wird. (Angeregt wurde Goethe von der Hinrichtung der Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt, der er wahrscheinlich 1770 beiwohnte.)
Der Autor hat in den Faust viel „hineingeheimnisst“, das Werk so konzipiert, dass „alles zusammen ein offenbares Rätsel bleibe, die Menschen fort und fort ergetze und ihnen zu schaffen mache“. Der Faust II entzieht sich so nicht dem Verstehen, aber einer letzten Deutung. Goethe begründet die „dichterischen Seltsamkeiten“ nicht. Wie es im Entwurf einer Ankündigung zur Publikation des Helena-Aktes 1827 heißt, soll „der Verstand im Zwiespalt“ verzweifeln. Die Poesie führt ihr Eigenleben. Die metrische Ausgestaltung ist wesentlich: Goethe greift nahezu alle Möglichkeiten der klassisch-antiken wie der neuzeitlich-europäischen Dramatik auf, das jeweilige Versmaß kommentiert das Geschehen.
Faust und Helena: das Paar ist weniger bekannt als Faust und Margarethe. Aber nur die mythisch-schöne Helena, so scheint es, kann Goethe aus den Verstrickungen erlösen, die ihn seit seinem Urfaust und der Gretchen-Tragödie umgeben. Aber nicht jene frivole Helena-Figur aus den deutschen Volksbüchern: Bei Goethe wird Helena wieder zur unendlich ersehnten Gestalt, zum fernen Sinnbild weiblicher Schönheit.
Im dritten Akt des zweiten Teils begibt sich Faust auf eine Zeitreise. Der nordische Romantiker erobert die griechisch-klassische Traumfrau. „Aber doch ist alles (besonders im Helena-Teil von Faust II) sinnlich…“, so Goethe selbst. Fausts erotische Beziehung zum „Musterbild der Frauen“ scheint zu glücken, sogar: in Arkadien wird ein Sohn gezeugt. Aber Euphorion stürzt zu Tode, er ist zu leicht für die wirkliche Welt. Helena entschwindet wieder in der Schattenwelt, verblasst zu den Bildern, die man sich von ihr gemacht hat. Die Verbindung von klassischer Antike und Moderne ist gescheitert, der Mythos endgültig Geschichte geworden. Beiden Faust-Teilen ist eigen: Das mediterrane Versprechen nach Vollkommenheit wird nicht erfüllt, Arkadien bleibt ein utopisches Vergnügen.
Gretchen und Helena. „Das Frauenbild war gar zu schön!“ Goethes Faust entwickelt im Faust ein Hauptmotiv moderner Poesie: die Erlösung ist feminin. F.W.J. Schelling (in dem Jahr geboren, also Goethe nach Weimar kommt) sieht ein Charakteristikum der Neuzeit in der Verkehrung der Geschlechterordnung: „Das Vorherrschende des Antiken ist das Erhabene, Männliche, des Modernen das Schöne, demnach das Weibliche“. Im Unterschied zum Erhabenen könne das Schöne immer nur begehrt, nie errungen werden, und deswegen sei Faust – Goethe zufolge – dem „modernen Wesen so analog“. Faust stellt einen Mann dar, „welcher in den allgemeinen Erdeschranken sich ungeduldig und unbehaglich fühlend, den Besitz des höchsten Wissens, den Genuß der schönsten Güter für unzulänglich achtet, seine Sehnsucht auch nur im mindesten zu befriedigen, einen Geist welcher deßhalb nach allen Seiten hin sich wendend immer unglücklicher zurückkehrt“. Das letzte Verspaar löst Fausts Konflikt modern auf: „Das Ewig-Weibliche | Zieht uns hinan“. In ihrer Weiblichkeit (als dem Inbegriff all dessen, was sich lieben lässt) finden die so unterschiedlichen Figuren Margarethe und Helena zusammen.
„Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann/ Vor der allbezwingenden Schönen den Sinn.“
Retten können die Engel Faust nur als einen Liebenden. Und selbst Mephistopheles, das kalte, berechnende Intellekt, zeigt sich vom Schönen verführbar: „Ein überteuflisch Element! | Weit spitziger als Höllenfeuer“.
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